Harald Werner - Alles was links ist
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Wie Horst Köhler den Reichen, Schönen und Mächtigen ihre Grenzen zeigt

Seit einiger Zeit gelingt es der Union und natürlich auch ihrem Bundespräsidenten den Eindruck zu erwecken, als hätten sie die Themen wiederentdeckt, die von der Vorgängerregierung vergessen wurden. Rüttgers macht sich zum Fürsprecher der kleinen Leute, von der Leyen entdeckt den Segen der öffentlichen Kleinkinderziehung, die CSU will den „schwer arbeitenden Arbeitern und Angestellten“ gegen den Willen der SPD die Pendlerpauschale zurückgeben und Merkel ist so grün, dass den Grünen schwarz vor Augen werden kann. Noch nie scheint die Union so sozialdemokratisch gewesen zu sein wie heute.

Auch der Bundespräsident geht in diese Richtung wenn er zugibt: „Drei Einschätzungen hört man immer wieder: Die Reichen würden immer reicher und die Armen immer ärmer. Die Mittelschicht, angefangen beim Facharbeiter, schrumpfe. Eine kleine Gruppe von Managern und Unternehmern handele völlig abgehoben und denke ausschließlich an sich selbst.“ Er signalisiert also: Euer Präsident weiß, wo euch der Schuh drückt, um gleich danach festzustellen: „Ich halte alle drei Einschätzungen für übertrieben. Aber ihr Aufkommen ist verständlich, und das schadet dem Vertrauen in unsere Wirtschaftsordnung.“ Wie denn nun? Wenn das Aufkommen dieser Einschätzungen verständlich ist, wie können sie dann übertrieben sein, und geht es Horst Köhler vielleicht in erster Linie um das schwindende Vertrauen in unsere Wirtschaftsordnung und erst in zweiter Linie um die Tatsachen, die zu diesen Einschätzungen Anlass geben? Folglich geht er weder darauf ein, dass der Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen seit 1998 dramatisch gesunken ist, noch auf die gleichzeitig explodierenden Vermögenseinkommen. Statt dessen sagt er: „Deutschland gibt hohe Milliardenbeträge für den sozialen Ausgleich aus“ und geht locker darüber hinweg, wie viel von diesem sozialen Ausgleich den Arbeitslosen, den Kranken und Rentnern in den vergangenen Jahren wegreformiert wurde. Ganz zu schweigen davon, dass die Sozialausgaben auch deshalb hoch sind, weil immer mehr Menschen trotz Arbeit auf die Aufstockung durch Hartz IV angewiesen sind. Das gleiche Spiel bei der explodierenden Kinderarmut, die der Bundespräsident erst für einen nicht hinnehmbaren Skandal hält und anschließend beschwichtigend feststellt: Die Armutsquote von Kindern hierzulande ist im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich. Keine Rede davon, dass Ende 2006 fast zwei Millionen Kinder auf Soziahilfeniveau leben mussten und, dass sich die Zahl durch die Einführung von Hartz IV um rund 88 Prozent erhöht hatte. Einfach deshalb, weil Millionen Arbeitslose durch diese „Reform“ auf das Niveau der Sozialhilfe gedrückt wurden. Für Köhler war das übrigens eine der „Reformen“, von denen er sagte: „Wir sollten das Erreichte nicht zerreden oder gar zurückdrehen, sondern beherzt vorangehen auf dem Weg, der sich als der richtige erwiesen hat.“

Wobei der Bundespräsident durchaus anerkennt, dass das Ereichte „wacker erarbeitet“ wurde: “…von den Unternehmen, die sich modernisiert haben und weltweit mit Qualität und Leistung überzeugen; von den Arbeitnehmern, die Spitzenarbeit leisten und Lohnzurückhaltung geübt haben.“ Was er bei dieser anerkennenswerten Partnerschaft zwischen Kapital und Arbeit geflissentlich übergeht, ist das etwas ungleiche Ergebnis von Einsatz und Gewinn. Erstens ist die Modernisierung der Unternehmen aus dem Mehrwert finanziert worden, den die Arbeitnehmer produziert haben und zweitens waren sie die eigentlichen Opfer dieser Modernisierung: Erst arbeitslos, dann auf Hartz IV gesetzt und schließlich auch noch zur Annehme jeder, auch noch so schlecht bezahlten Arbeit gezwungen. Nicht zu vergessen, dass die Davongekommenen nicht nur auf Lohn verzichten mussten, sondern auch noch mit ansehen mussten, wie im Gegenzug die Profite kletterten. Und da wundert sich Horst Köhler, dass darunter das „ Vertrauen in unsere Wirtschaftsordnung“ leidet.

Grundsätzlich gibt es kein gesellschaftliches Übel, von dem momentan nicht wenige reden, das der Bundespräsident nicht schön redet. Meistens ignoriert er die Tatsachen, häufig sind seine Erklärungen in sich unlogisch und manchmal ist seine Schönrederei richtig komisch. Zum Beispiel wenn er auf die Gleichheit in unserem Lande zu sprechen kommt und im Landesvaterstil verkündet

Bei uns dürfen auch die Reichen, Schönen und Mächtigen nicht bei Rot über die Ampel fahren.“

 

Harald Werner 18. Juni 2008


[angelegt/ aktualisiert am  19.06.2008]