Harald Werner - Alles was links ist
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Die Welt im Griff der

Bubble-Ökonomie

Je größer die Menge des überakkumulierten Kapitals, desto waghalsiger die Geschäftsmodelle, mit denen das Finanzkapital seine Verwertungsprobleme zu lösen sucht. Die Geschichte des Kapitalismus ist reich an Beispielen dafür, wie sich ein angesammelter Kapitalüberschuss auf den Handel mit einer bestimmten Ware oder der Erschließung neuer Technologien stürzt, um dabei einerseits zwar die ökonomische Entwicklung voranzubringen, aber gleichzeitig einen Crash zu verursachen, der ungeheure Vermögenswerte und Arbeitplätze vernichtet. „Früher kam es nur selten zu derartigen Blasen – etwa alle 100 Jahre. Das genügte, um die Politiker angesichts wütender, weil unverhofft verarmter Bürgerscharen zu motivieren, gesetzliche Neuregelungen zu suchen, die eine Wiederholung derartiger Vorkommnisse ausschließen sollten.“[1] Doch mit dem Siegeszug der neoliberalen Ökonomie wurden nach und nach die Bremsen gelockert, die Märkte dereguliert und neue Finanzinstrumente geschaffen, die dem überschüssigen Kapital den Zustrom in neue Anlagebereiche erleichterten. Maßgeblich dafür war die irrige, und von der Geschichte schon mehrfach widerlegte Annahme, dass Märkte einem Gleichgewichtszustand zustreben, der sowohl Unter- als auch Übertreibungen ausgleicht. Das Gegenteil ist der Fall, denn je mehr man die Wirtschaft dem „freien Spiel der Kräfte“ überlässt, desto mehr wird sie von einem  Herdenverhalten bestimmt, bei dem sich erst alles auf ein neues Geschäftsmodell stürzt und die Preise nach oben treibt, um bei den ersten Anzeichen eines Wertverlustes die Flucht zu ergreifen und Trümmer hinter sich zu lassen. Man könnte meinen, „der Spekulationsblasen-Zyklus ersetzt den Konjunkturzyklus.“[2]

Am Ende der 90er Jahre war es der Internetboom, der im Katzenjammer endete und das Wirtschaftswachstum zum Erliegen brachte, dann kam der durch fragwürdige Kreditvergaben angefeuerte Immobilienboom, der nicht nur massenhaft Bausubstanz produzierte, sondern auch den Konsum in den USA und Großbritannien nach oben trieb, weil den Hausbesitzern vor dem Hintergrund explodierender Immobilienpreise großzügig Konsumkredite ausgereicht wurden. Die Staubwolke über den Trümmern dieser Blasse hat sich noch nicht gesenkt und niemand weiß, wie viele Banken noch in die roten Zahlen rutschen werden, da beult sich schon die nächste Blase aus.

Ein Wettgeschäft auf steigende Preise

Es ist ein ebenso irreführendes wie unlogisches Argument, die steigenden Benzinpreise, die Explosion der Heizkosten oder die für einige Völker bedrohliche Verteuerung der Lebensmittel der steigenden Nachfrage in die Schuhe zu schieben. Das zeigt schon ein oberflächlicher Vergleich zwischen der Entwicklung der Nachfrage und den Preissteigerungen. „Die Weltnachfrage nach Rohöl ist seit 2004 um wenig mehr als 1,2 Prozent pro Jahr gestiegen – der Rohölpreis dagegen um mehr als 250 Prozent“[3] Das Gleiche gilt für die Lebensmittelpreise und anderes mehr. Auch könnte die Nachfrage nur dann zu einer Preissteigerung führen, wenn die gefragten Güter tatsächlich knapp würden. Zwar wird von interessierter Seite dieser Eindruck erweckt, aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Nicht nur, dass im weltweit größten Verbraucherland, nämlich den USA, der Ölverbrauch sinkt, selbst China, das nur etwa ein Drittel der USA-Menge benötigt, erhöht den Ölimport jährlich um nicht mehr als ein halbes Prozent. Und die Angebotsseite? Die Erdölförderung steigt und Saudi Arabien, der größte Erdölproduzent, ist dabei seine Fördermenge um bis zu einem Drittel zu steigern. Ganz davon abgesehen, dass die Explosion des Ölpreises plötzlich Vorkommen rentabel macht, die abzubauen bisher nicht lohnte.[4]

Was also passiert da wirklich? Während das Finanzkapital in den vergangenen Jahren in Papiere investierte, die eine hohe Rendite versprachen, investiert es heute in Warenkontrakte. Man kauft das Anrecht auf eine bestimmte Menge Rohöl, Weizen oder Soja, eine Option auf Waren, die überhaupt noch nicht vorhanden sind, allein in der Erwartung, dass sie wesentlich teuerer sein werden, wenn der Produzent sie endgültig liefern kann. Für letzteren hat das den Vorteil, dass er eine Art Anzahlung erhält und dieses Geld für weitere Investitionen nutzen kann, während der Käufer dieses Kontrakts auf inzwischen steigende Preise wettet. Das an den Aktienbörsen und in den Finanzinstitutionen übliche Spiel wird auf die Warenbörsen verlagert, die noch weniger reguliert und kaum kontrolliert sind, so dass die Blase noch schneller wachsen und auch schneller platzen kann. Wo sich früher spekulierende Großhändler herumtrieben, tummeln sich jetzt Großbanken und institutionelle Anleger, die einen unübersehbaren Schwarm von Kleinaktionären und Fondsbesitzern hinter sich her schleppen. Das Geschäft wird zudem dadurch erleichtert, dass der Einstiegspreis bei Warentermingeschäften außerordentlich niedrig ist und die Banken- oder Börsenaufsicht leicht zu umgehen sind.

Es ist absehbar, dass diese Blase ebenso platzen wird, wie die Internet- oder Immobilienspekulation. Der Unterschied ist freilich gefährlich. Die Explosion der Energie- und Lebensmittelpreise kann jetzt schon die Konjunktur abwürgen, stürzt wesentlich mehr Menschen in die Armut und kann zu unkalkulierbaren Krisen und Gewaltausbrüchen führen. Insofern ist es gerade zu abenteuerlich, wenn der herrschenden politischen Elite nicht mehr einfällt, als hierzulande den Spritpreis zu subventionieren oder wegen der steigenden Warmmiete vielleicht auch das Wohngeld zu erhöhen. So lange die Wettgeschäfte des Finanzkapitals nicht unterbunden und das überakkumulierte Kapital zurück in die Realwirtschaft gezwungen wird, sind solche Maßnahmen nicht einmal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein, sondern ein Versuch, das Feuer mit der Benzinspritze zu löschen. Besonders einfallslos zeigen sich in dieser Situation unsere „grünen Ökonomen“, wenn sie zum Zwecke eines sinkenden Energieverbrauchs auf eine Ausweitung des Handels mit Verschmutzungsrechten setzen. Es wird nicht lange dauern, bis das Finanzkapital auch diesen Markt für sich entdeckt.

Harald Werner 20. Juni 2008

 


[1] Eric Janszen, Wie man die Märkte für den großen Crash von morgen präpariert, Blätter für deutsche und internationale Politik, 5-2008, S.49

[2] ebenda

[3] Claas Anders, Die Welt reitet auf einer weiteren Spekulationsblase, Freitag 25, 20.Juni 2008

[4] ebenda


[angelegt/ aktualisiert am  20.06.2008]