Harald Werner - Alles was links ist
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Kann man die

LINKE

links überholen?

Die CSU hat sich für die Wiedereinführung der Pendlerpauschale eingesetzt, sie ist bei der Einkommensteuer für eine Erhöhung des Grundbeitrages und möchte auch die so genannte kalte Progression abschaffen – also das überproportionale Hineinwachsen in eine neue Steuerstufe. Alles alte Forderungen der Linken. Vergesslich wie die meisten Menschen sind, erinnern sie sich weder daran, dass die CSU selbst eingeführt hat, was sie heute ändern möchte und erst recht nicht daran, dass dies lange schon unsere eigenen Forderungen sind. Bereits freuen sich einige Medien, dass die CSU der Linken Stimmen abjagt – und die Meinungsumfragen scheinen ihnen Recht zu geben. Was soll man davon halten – wie lässt sich darauf reagieren?

Bekanntlich ist Papier geduldig und in der Papierform manches möglich, was in der Wirklichkeit keinen Bestand hat. Nirgendwo ist es leichter, eine bestimmte Position zu beziehen, als auf dem Papier oder überhaupt in der Medienwelt. Und da wir am Anfang eines Super-Wahljahres stehen, werden wir noch manche solcher Überraschungen erleben, wie sie momentan die CSU inszeniert. Aber was soll uns eigentlich daran stören? Wenn sich eine bestimmte Idee in der Öffentlichkeit durchsetzt, wie etwa die Notwendigkeit, abhängig Beschäftigte von der Steuer zu entlasten, dann werden sich auch andere finden, die auf den fahrenden Zug aufspringen. Egal zu welcher Zeit und in welchem Land, überall wo linke Parteien nicht nur erfolgreich ihre Vorschläge verbreiten, sondern damit auch an politischer Macht gewinnen, werden sich die wirklich Mächtigen diesen Vorschlägen anschließen, Und das umso mehr, je schwächer sie sind. Und keine der deutschen Parteien hat in den vergangenen Monaten so viel Schwäche gezeigt, wie ausgerechnet die einstmals übermächtige CSU. Wir werden in diesem Wahljahr noch erleben, wie die SPD von der CSU zu lernen beginnt.

Auch wenn eine solche Entwicklung der Linken bei den ansonsten exzellenten Umfragewerten das eine oder andere Prozent kosten sollte, ist das ein gewaltiger Fortschritt, weil wir ja nicht in erster Linie Prozente, sondern für unsere Ideen gesellschaftliche Mehrheiten gewinnen wollen. Ein solcher Fortschritt ist natürlich mit Risiken behaftet, weil er scheinbar unsere „Alleinstellungsmerkmale“ gefährdet. Doch was ist ein Alleinstellungsmerkmal wert, wenn wir darauf sitzen bleiben? Linke Parteien müssen sich auf den zunehmenden Verlust von Alleinstellungsmerkmalen konzentrieren, wenn sie nicht zur Sekte werden wollen. Denn letztlich ist auch der Weg in eine sozialistische Gesellschaft darauf angewiesen, den Alleinvertretungsanspruch auf die Idee des Sozialismus zu verlieren. Aber bleiben wir realistisch und suchen nach einer Antwort, wie wir im konkreten Fall damit umgehen, dass wir den Alleinvertretungsanspruch für eine sozial verträglichere Steuergestaltung nicht ganz, aber zumindest in einem Teilaspekt verlieren könnten.

Zwei Fehler sollte man auf jeden Fall vermeiden: Es hat weder einen Sinn auf das Erstgeburtsrecht zu pochen oder der CSU ihre Vergangenheit vorzuwerfen und es ist auch wenig hilfreich, wenn wir eine noch radikalere Forderung draufsetzen. Die wichtigste Botschaft muss zunächst einmal sein, an die Wirksamkeit unserer Politik zu erinnern. Die LINKE wirkt – sogar auf die Politik ehemals stramm neoliberaler Parteien. Das nächste aber ist, an diesen Fortschritt anzusetzen und diese von der CSU übernommene Forderung zum Ausgangspunkt nicht für radikalere, sondern für logisch daran anschließende Forderungen zu nutzen. Zum Beispiel kann man nicht den Staat zum Verzicht auf Steuern bewegen ohne darüber zu reden, wer für den Ausfall gerade stehen soll. Der Fehler der CSU ist doch nicht, dass ihre Steuerentlastung zu niedrig ausfällt, sondern dass sie keine Gegenfinanzierung vorschlägt. Wenn die CSU schon einmal so weit ist über die Ungerechtigkeit des Steuersystems zu reden, dann muss man mit ihren Wählern auch über die Wiedereinführung des alten Spitzensteuersatzes oder die Wiedererhebung der Vermögenssteuer reden.

Eines ist allerdings sicher: Es ist sehr viel einfacher, aus der radikalen Opposition heraus eben so radikale Forderungen zu stellen, als eine bereits bestehende gesellschaftliche Tendenz weiterzutreiben. Das verlangt eine andere Form der Kommunikation und vor allem ein hohes Maß an Wissen. Erfolg ist eine schöne Sache, aber wenn man ihn erst einmal hat, muss man sich noch mehr anstrengen, um ihn zu behalten.

Harald Werner 6. Januar 09

 

 


[angelegt/ aktualisiert am  09.01.2009]