Das ist der Fluch der blöden Tat, dass sie fortwährend Blödes muss gebären

 

(frei nach Goethe)

 

Noch im Januar ließ ich mich auf dieser Seite zu der Feststellung verleiten, dass die Lage der LINKEN besser ist als ihre Stimmung. Das hat sich geändert. Inzwischen hat die schlechte Stimmung längst schon die Lage infiziert und es gibt wenige, die dem Virus keine Nahrung gaben. Für zukünftige Vorstandswahlen ist deshalb zu raten, sich nicht zu merken, was dieser oder jener gesagt hat, sondern wer geschwiegen hat oder sich mindestens sybillinisch herausreden konnte. Genauso ärgerlich finde ich jene, die ihre Angriffe mit der Aufforderung verbinden, man solle nun endlich zur Politik zurückkehren oder eine rückhaltlose Analyse der Wahlniederlagen vornehmen, um in diese Verpackung hinterhältige Attacken zu wickeln. Interessant bei allem ist, dass die Strömungen der LINKEN in der Skandalisierungsspirale eine eher untergeordnete Rolle spielen. Ihnen geht es mittlerweile wie der ganzen Partei: Es wird über ihre Köpfe hinweggeredet.

Apropos Köpfe: Natürlich ist Politik ein Jahrmarkt der Eitelkeiten und wer möchte nicht zu den maßgeblichen politischen Köpfen der LINKEN zählen? Das Problem ist nur, dass die Auswahl kaum von der Partei selbst, sondern in den Redaktionen getroffen wird. Und dort weiß man ziemlich genau, wer gut für eine Provokation gegen das eine oder andere Lager ist. Überhaupt kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass auch diese Lager zunächst in den Köpfen maßgeblicher Meinungsbildner entstehen, bevor die Partei an sie zu glauben beginnt. Und dies vor allem deshalb, weil die Meinungsbildung der Partei hoffnungslos hinter der aktuellen Meinungsproduktion hinterher hinkt.

Ja, es gibt in dieser Partei tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten, über die zu diskutieren wäre. Eine wirkliche Diskussion erfordert aber einen persönlichen Dialog und keine medialen Monologe. Wie in jeder anderen Partei mangelt es der LINKEN zwar nicht an Sitzungen, wohl aber an offenen Konferenzen und streitbaren Foren, wo Meinungsverschiedenheiten von Angesicht zu Angesicht und nicht in der Papierform oder über digitale Netze ausgetragen werden. Wir brauchen eine sprechende und keine veröffentlichende Partei. Denn der Druck zur Einigung, aber auch zum pfleglichen Umgang miteinander, ist nirgendwo größer, als wenn man sich in die Augen sehen muss.

Harald Werner 19.April 2011

 


[angelegt/ aktualisiert am  19.04.2011]