Harald Werner - Alles was links ist
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Deutschland als Gewinner der Schuldenkrise

Schon die PDS hat vor der Einführung des Euro die Parole ausgegeben „Euro so nicht!“ und vor einer Währungsunion gewarnt, die völlig unterschiedliche Wirtschaftsräume mit unterschiedlichen Steuersätzen, Lohnstückkosten und Inflationsraten unter einen Hut zu bringen sucht. Leider haben PDS und LINKE  Recht behalten. Doch zunächst ließ sich das ganze Projekt recht gut an. Dank niedriger Lohnstückkosten, die bereits unter der Schröder-Regierung weiter sanken, eroberten sich deutsche Industriegüter fast alle europäischen Märkte und zwangen die heimischen Anbieter zum Rückzug. Wenn aber ein Land an ein anderes mehr verkauft, als es von diesem selber einkauft, muss sich dieses zwangsläufig verschulden. Egal ob die Schulden beim Staat oder bei den Verbrauchern entstehen. Wenn zum Beispiel die griechischen Autofahrer bei den deutschen Autoproduzenten für mehr Geld Autos kaufen, als die Griechen von deutschen Urlaubern oder Obstverbrauchern einnehmen, müssen die Griechen beim Exportweltmeister Deutschland oder anderswo Kredite aufnehmen.  Aber nicht nur, dass Deutschland an der Schuldenkrise bisher ganz gut verdiente, es hat sie auch verursacht. Einmal durch seine Rolle bei der Konstruktion des europäischen Währungsraumes und anschließend durch seine aggressive Exportpolitik.

 

Die Entmachtung der Geldpolitik

Mit der Einführung des Euro wurde die Europäische Zentralbank EZB geschaffen, also eine staatliche Institution zur Regulierung der Geldmenge und als Wächterin über die Inflation. Mit der Erhöhung oder Absenkung des Zinssatzes, mit dem Notenbanken Geld an die Geschäftsbanken verleihen, können sie durch höhere Zinsen die Inflation drosseln oder mit niedrigen Zinsen die Konjunktur ankurbeln. Doch so wie die Eurozone konstruiert wurde, kann die EZB überhaupt keine Geldpolitik betreiben. Was macht zum Beispiel die EZB wenn in Portugal vier Prozent Inflation herrschen aber in Deutschland nicht einmal ein Prozent? Sie geht den Mittelweg und setzt den Zinssatz auf zwei Prozent fest - für Portugal viel zu niedrig um die Inflation zu bremsen und für Deutschland viel zu hoch um Wachstum zu schaffen. Die EZB ist also unfähig die Aufgaben einer nationalen Notenbank zu erfüllen, weil sie es mit völlig unterschiedlichen Wirtschaftsräumen zu tun hat. Doch das ist gewollt. Während nämlich Frankreich bei der Einführung des Euro eine gemeinsame Wirtschaftsregierung vorschlug,  um Ungleichgewichte zwischen den europäischen Staaten zu vermeiden, war Deutschland gegen eine solche Wirtschaftsregierung, weil es als Exportland von diesen Ungleichgewichten profitiert.

 Für das deutsche Kapital waren die Geburtsfehler des Euro und der EZB von großem Vorteil. Man hatte im eigenen Land die Löhne gedrückt, die Steuern für Konzerne und Höchtsverdiener gesenkt und die staatlichen Investitionen eingefroren, damit Deutschland mit billigen Preisen in andere Märkte eindringen konnte. Die Folge war, dass Konzerne wie Vermögensbesitzer zwar im Geld schwammen, zu Hause aber keine ausreichende Nachfrage fanden. Also investierten sie dort wo die Zinsen niedriger als die Inflationsraten waren und verhalfen Ländern wie Griechenland, Spanien oder Portugal zu einem beachtlichen, aber durch Kredite angeschobenen Wachstum. Besonders lukrativ waren zum Beispiel Investitionen in Immobilien, die aber wiederum nur über Kredite gekauft werden, die die deutschen Banken großzügig gewährten. So kletterten in diesen Ländern nicht nur die Preise, sondern auch die Schulden. Dann kam, was absehbar war, die globale Finanzkrise und in den Ländern mit Immobilienblase gingen die Lichter aus. Die Konjunktur brach dramatisch ein, die Arbeitslosigkeit explodierte und den Staaten fehlten plötzlich die Einnahmen, um ihre Kredite zu bezahlen. Wobei man wissen muss, dass sämtliche Staaten, die Bundesrepublik eingeschlossen, ständig neue Kredite aufnehmen, nicht weil sie neue Schulden machen, sondern fällige Kreditrückzahlungen durch neue Kredite ersetzen. Doch die Finanzmärkte wollten den notleidenden Ländern nur noch neue Kredite zu deutlich höheren Zinsen geben, so dass die Schulden zunahmen. Der Rest ist bekannt. Griechenland, Irland und Portugal mussten bei den reicheren Ländern um Kredite betteln gehen, die es zwar auch nicht umsonst gab, aber doch zu niedrigeren Zinsen als auf dem offenen Markt. Deutschland, das diese Länder in die Krise trieb, verdient also auch noch an der Krisenbewältigung. Und natürlich nicht das ganze Deutschland, sondern vor allem die großen Konzerne und die Bezieher von Vermögenseinkommen. Die Kosten für den Standortwettbewerb haben die Lohnabhängigen, wie auch die Bezieher von sozialen Transferleistungen zahlen müssen.

 

Pest oder Cholera

In Griechenland und den anderen Schuldnerländern grassiert gegenwärtig eine Krankheit, die ebenso unheilbar ist wie die Pest. Wenn sie nicht völlig Bankrott gehen wollen, brauchen sie neue Kredite, die ihnen die EZB und die reicheren EU-Länder nur geben oder garantieren, wenn die Schuldnerländer ihre Staatsschulden abbauen. Dahinter steckt die Überlegung, dass die Schuldnerländer erst dann wieder Kredite am Kapitalmarkt bekommen werden, wenn kein Staatsbankrott mehr droht. Gleichzeitig würgt der radikale Schuldenabbau aber die Wirtschaft der Schuldnerländer ab, so dass die Arbeitslosigkeit steigt und die Steuereinnahmen einbrechen. Folglich führt das angebliche Heilmittel Schuldenabbau zu einem Anwachsen des Schuldenberges.

Deutschland kann mit dieser Lage scheinbar recht gut leben, wie die oben zitierten Statistiken zeigen. Und das kommt daher, dass der Eurokurs wegen der in den Schuldnerländern herrschenden Unsicherheit absackt. Das aber freut die deutschen Exporteure, denn ihre Waren werden umso billiger, also besser verkaufbar, je mehr der Euro gegenüber dem Dollar an Wert verliert. Die Freude dürfte von kurzer Dauer sein, weil der größte deutsche Absatzmarkt immer noch Europa ist. Und schließlich hat ein schwächelnder Euro die fatale Nebenwirkung, dass außereuropäisches Kapital aus dem Euroraum flüchtet und sich lieber woanders anlegt, zum Beispiel in boomenden Schwellenländern wie Brasilien oder Indien. Das aber treibt deren Inflation nach oben, so dass die dortigen Notenbanken die Zinssätze erhöhen und folglich die Nachfrage nach deutschen Exportgütern sinkt. Insofern ist die unheilbare europäische Krankheit nicht nur ein Problem von Griechen oder Portugiesen, sondern auch ein deutsches.

Die sich anbietenden Alternativen sind mit erheblichen Verlusten verbunden, vor allem für Deutschland, weil sie erheblich mehr Geld kosten, als alle bisher aufgespannten Rettungsschirme. Als Erstes wird vor  allem Griechenland seine Schulden nicht ohne Verluste seiner Gläubiger tilgen können. Alle, die griechische Staatsanleihen gekauft hatten, müssen auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, damit das Land aus der oben bezeichneten Abwärtsspirale entkommen kann. Das Problem ist nur, dass die Gläubiger nicht in erster Linie reiche Vermögensbesitzer sind, sondern Banken, Versicherung und Regierungen. Es drohen also an sich gesunde Banken kaputt zu gehen, Versicherungen werden ihre Lebensversicherungen abwerten müssen  und Regierungen werden das Gleiche tun müssen, was die griechische jetzt tut, nämlich Sozialkosten zusammenstreichen, Renten kürzen und Steuern erhöhen. Kein Wunder, dass man vor allem in Deutschland, dem größten Gläubigerland, davon nichts wissen will. Die zweite bittere Medizin heißt schlicht: Europäischer Finanzausgleich. Wie in Deutschland zwischen den Bundesländern üblich, werden die stärkeren europäischen Staaten kräftig zahlen müssen, damit die Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone ausgeglichen werden. Wenn die oben beschriebene  und jetzt grassierende europäische Krankheit wie eine Pest wütet, dann ist die Alternative mit der Cholera vergleichbar. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Cholera heilbar ist.

Harald Werner 11.Mai 2011

 

 


[angelegt/ aktualisiert am  11.05.2011]