Harald Werner - Alles was links ist
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Die Geschichte wiederholt sich – diesmal als Farce

Die Geschichte des Liberalismus ist alt und ehrenvoll, aber mit ihr verhält es sich wie mit einer Kartoffel: Das Beste von ihr liegt unter der Erde. Wobei man, um dort fündig zu werden, schon relativ tief graben muss. Denn nach radikal demokratischen Anfängen wandelte sich der deutsche Liberalismus bereits im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zum Wirtschaftsliberalismus und brachte eine Wirtschaftstheorie hervor, die sich Neoklassik nannte. Nach ihrer Blamage in der Weltwirtschaftskrise landete dieses Konzept zusammen mit dem Wirtschaftsliberalismus zunächst auf dem Müllhaufen der Geschichte und zwang den Liberalismus nach 1945 zu einem Neuanfang, der seinen Gipfelpunkt in den sozialliberalen Koalitionen von Brandt und Schmidt fand. Als die FDP mit dieser Linie brach und sich mit der Union den neoliberalen Geisterfahrern anschloss, krebste der deutsche Liberalismus wieder zurück ins 19. Jahrhundert. Kein Wunder also, dass die Krise des Neoliberalismus nun zu einer Existenzkrise der FDP wird. Sie wiederholt was der Wirtschaftsliberalismus bereits 1929 erleben musste, nämlich sein totales Scheitern. Und wie es mit der Wiederholung von Geschichte häufig ist, das erste Mal endet sie im Drama, das zweite Mal als Farce.

 

Die FDP jagt ein Phantom

Anders als in der Weltwirtschaftskrise von 1929, als die Deregulierung der Märkte noch in den Anfängen steckte, scheiterte der Neoliberalismus diesmal auf dem Gipfel seines Siegeszuges. Die nationale Wirtschaftspolitik ist zur Geisel der Finanzmärkte geworden und selbst die größten Monopole hängen an ihren Zügeln. Wer heute noch die Befreiung der Märkte von staatlicher Bevormundung fordert, jagt nicht nur ein Phantom, sondern ist auch im falschen Film. Während alle Welt über ein neues Modell der Weltwirtschaft diskutiert, donnert Brüderle: Marktwirtschaft, Marktwirtschaft und nochmals Marktwirtschaft. Obwohl nicht mehr die Wirtschaft vor dem Staat, sondern dieser vor der Wirtschaft geschützt werden müsste. Nicht anders verhält es sich mit dem Freiheitsbegriff der FDP, der in der Regel als Steuerbefreiung auftritt, wo doch alle Welt weiß, dass die gegenwärtige Staatsverschuldung vor allem eine Folge unmäßiger Steuerbefreiungen ist. Überhaupt hat sich die vom Liberalismus geforderte Freiheit des Individuums auf eine Weise verwirklicht, dass einem Angst und Bange werden kann. Nirgendwann in der Weltgeschichte konnten sich die wohlhabenden Eliten freier fühlen als heute, mit ihren weltweit flexiblen Anlagen und sonnigen Steueroasen. Auf der anderen Seite haben die freien Demokraten dazu beigetragen, dass hierzulande immer größere Teile der Gesellschaft von sozialer Sicherheit und sicheren Arbeitsplätzen befreit wurden, um dem freien Markt Gerechtigkeit zukommen zu lassen.

Wozu also braucht man noch die FDP? Einerseits ist in den vergangenen beiden Jahrzehnten mehr liberalisiert worden, als sich der alte Liberalismus jemals erhoffen konnte und andererseits haben selbst Sozialdemokraten und Grüne bewiesen, dass sie dieses Geschäft vorzüglich beherrschen. Man denke nur an deren große Steuerreform, die Deregulierung der Finanzmärkte, den Einstieg in die Privatisierung der Rente und an die so genannte Modernisierung des Arbeitsmarktes. In mancherlei Hinsicht wird die FDP auch deshalb überflüssig, weil sie ihr Alleinstellungsmerkmal verloren hat und ihr Angebot vielen Wählerinnen, vor allem wenn es grün verpackt ist, deutlich attraktiver erscheint.

Harald Werner 15. Mai 2011

 


[angelegt/ aktualisiert am  16.05.2011]