Harald Werner - Alles was links ist
 

Die Rechtspopulisten haben nicht nur Stimmen gewonnen

Das strahlende Lächeln von Seehofer, Merkel und Schulz kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihnen die Angst im Nacken sitzt. Weniger vor der AfD, als vom Rumoren in der eigenen Partei und Wählerschaft. Gleichzeitig hat die AfD zwar Stimmen gewonnen und darf sich in der Rolle der stärksten Oppositionspartei gefallen, doch stärker noch ist ihr Gewinn an politischer Handlungsfähigkeit. Zunächst natürlich weil nichts so erfolgreich ist wie der Erfolg, was sich als erstes In den Medien niedergeschlagen hat. Das bringt vor allem Sendezeit, die sie gut zu nutzen weiß. Denn während die Maulhelden an der Basis und in den Netzen ein Tabu nach dem anderen brechen, übt sich die Fraktionsspitze bereits im Dauerbeschuss auf die amtierende und zu erwartende Regierungsmannschaft. Ihr wichtigstes Ziel wird es sein, deren innere Widersprüche aufzugreifen, sich über die Benachteiligung der AfD zu ereifern und den Nachweis zu führen, dass sich die herrschenden Parteien über die Sorgen der Menschen hinwegsetzen. Sie wird also genau das fortsetzen, womit sie bereits die Stimmen der enttäuschten und frustrierten Wählerinnen und Wähler gewonnen hat.

 

Gleichzeitig darf sich die AfD darüber freuen, die herrschenden Parteien auf die rechtspopulistische Bahn gebracht zu haben. Was für ein Erfolg etwa, dass Seehofer ein Heimatsministerium durchgesetzt hat, wo doch die angebliche Bedrohung der Heimatlichkeit zum Markenkern des Rechtspopulismus gehört. Nicht minder groß dürfte die Freude sein, der Union insgesamt einen Rechtsruck beschert zu haben. Da mögen die jungen Wilden in der Union noch so sehr für eine „konservative Erneuerung“ kämpfen, nicht nur die AfD, sondern vor allem ihre Anhängerschaft dürfte das als eigenen Erfolg feiern. Und schließlich könnte das Kopieren rechten Gedankengutes am Ende dazu führen, dass die Wählerschaft doch lieber das Original wählt.

 

Darüber hinaus mischt sich der interne Zwist der Union um dem den Verlust wichtiger Ressorts mit dem sozialdemokratischen Personalgeschacher, was die Wählerschaft in ihrer Meinung bestätigen dürfte, dass es denen da oben letztlich doch nur um einen Platz an der Futterkrippe geht. Es ist bitter, aber nicht nur die Parteien der Großen Koalition werden bei alledem Schaden nehmen, sondern vor allem die parlamentarische Demokratie. Über Jahrzehnte hatte man zufrieden versichert „Bonn ist nicht Weimar“, doch inzwischen scheint Berlin nicht so weit davon entfernt.

 

Die AfD kann nicht von rechts, sondern nur von links überholt werden  

Wir haben uns daran gewöhnt, die AfD wegen ihrer rassistischen bis faschistoiden Ausfälle anzuprangern. Zunächst einmal ist das nicht falsch, trifft aber meistens die Falschen, nämlich ihre Wählerinnen und Wähler. Denn was bei Demonstrationen notwendig und richtig ist, lässt sich nicht nahtlos auf die Politik der Parteien und erst recht nicht auf die Parlamente übertragen. Denn die AfD knüpft zwar erfolgreich an die sozialen Ängste der Menschen an, hat ihnen aber nicht mehr zu bieten, als einen gegen Migranten gerichteten Sozialneid. Der Kern ihrer Wirtschafts- und Sozialpolitik aber ist ein in der Wolle gefärbter Neoliberalismus. Ihre Umverteilung geht nicht von oben nach unten, sondern von den Flüchtlingen zu den eigenen, abgehängten Bürgern. Da hilft es auch nicht, wenn einige Linke über migrationsbedingte Belastungsgrenzen diskutieren oder Sozialdemokraten ein Herz für die „schwer arbeitenden Menschen in diesem Lande“ zeigen – das eigentliche Problem liegt bei den überhaupt nicht auf Arbeit gegründeten Vermögenseinkommen.

 

Das einmal vorangestellt, wird es auch nicht reichen, der AfD ihren Neoliberalismus vorzuhalten, denn das dürfte nur bei denen wirken die konkret wissen, was Neoliberalismus ist. Wichtiger ist wohl eine Politik zu machen, die so pointiert und verständlich die Verteilungsfrage stellt, dass die vom herrschenden Politikbetrieb frustrierten Wählerinnen und Wähler erkennen, wie wenig die AfD zu den realen, sozialen und ökonomischen Problemen zu sagen hat.  

Harald Werner 19. Februar 2018


[angelegt/ aktualisiert am  19.02.2018]